Graffiti-Sprayer von Zug erfasst

Zwei Graffiti-Sprayer sind in der Nacht zum Freitag an einer Bahnunterführung in München von einem Zug erfasst und getötet worden.

Nr. Datum Uhrzeit Ort Meldung Einsatzart Abt.
1 03.08.2001 00:06 Radlkoferstraße Feuerwehreinsatz Hilfeleistung SE

Ein 19-jähriger Deutscher und ein 20 Jahre alter Türke hatten kurz vor Mitternacht ein Graffiti mit der Aufschrift "she" an die Pfeiler der Ganghoferbrücke im Stadtteil Sendling gesprüht, als sich ihnen der in Richtung Salzburg fahrende Regional-Express näherte. Der Zug, der mit etwa 100 Stundenkilometern unterwegs war, erfasste die beiden jungen Männer jedoch nicht direkt vor den Graffiti, sondern mehrere Meter davon entfernt. "Vermutlich sind die beiden in Panik geraten und wollten vor dem Zug fliehen", erklärte Wolfgang Wenger, Pressesprecher der Münchner Polizei. "Der Lokführer sah einen der Männer noch im Augenwinkel, dann hörte er einen Schlag und zog die Notbremse."

Die Berufs- und die Freiwillige Feuerwehr aus München, die mit etwa 30 Mann ausgerückt waren, konnten die beiden Männer nur noch tot bergen. Die viergleisige Bahnstrecke war für mehr als drei Stunden gesperrt.

Der 38-jährige Lokführer erlitt einen schweren Schock. Er wird, ebenso wie die Eltern der beiden Sprayer vom Kriseninterventionsdienst des Arbeiter Samariter-Bundes (ASB) betreut: "Wir versuchen, dem Lokführer die Anspannung zu nehmen. Der Betroffene muss das Unglück in Ruhe rekapitulieren können", erklärt Roland Herzog vom ASB. Besonders tragisch: Für den Lokführer war dies bereits der zweite Unglücksfall innerhalb eines Jahres.

In der Münchner Sprayer-Szene war der 19-Jährige Deutsche der Polizei bereits als "prominentes" Mitglied bekannt. "Der Mann ist uns zum ersten Mal 1996 aufgefallen", erklärt Roland Steitz von der Koordinierungsgruppe für Graffiti-Delikte. Der 19-Jährige gehört, ebenso wie der 20-jährige Türke zur großen Münchner Graffiti-Gruppe "Da Midnight Adventure", kurz "DMA". Seit 1997 legt ihr die Polizei rund 168 Taten mit einem Gesamtschaden von rund 180 000 Mark zur Last.

Offenbar versuchten die Männer mit diesem Graffiti, das sie an einer besonders gefährlichen und schlecht zugänglichen Stelle angebracht hatten, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern: "Mit einem solchen Graffiti macht man sich in der Szene einen Namen." Nach dem Tod der beiden jungen Männer befürchtet die Polizei nun viele "In Memory"-Graffitis, die von anderen Mitgliedern der DMA-Gruppe zur Erinnerung an die beiden Sprayer an öffentiche Wände gesprüht werden. [DIE WELT, 04.08.2001]